Ethisch fragwürdig und moralisch auf keinen Fall einfach hinnehmbar: Deutschlands Intensiv- und Notfallmediziner kritisieren die Verlosung des in Europa noch nicht zugelassenen Novartis-Medikamentes Zolgensma an 100 Kleinkinder mit einer tödliche Muskelkrankheit scharf. Es geht um insgesamt 200 Millionen Euro. „Hier wird nicht nur das offizielle Zulassungsverfahren ausgehebelt, es wird auch mit der Hoffnung von Familien gespielt und völlig intransparent über die Vergabe eines Wirkstoffes entschieden“, sagt Professor Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Als Stimme von rund 3.000 Mitgliedern sowie Sprecher der DIVI-Sektion Ethik sieht er durch diesen Vorstoß medizinisch geübte und gültige Vorgehensweisen umgangen: „Die Indikation zur Gabe eines Medikamentes stellt der Arzt, die Zustimmung erteilt der Patient oder der juristische Stellvertreter – aber nicht ein Pharmakonzern“, so Janssens. „Das Bundesgesundheitsministerium muss schnellstmöglich diese Lücken bei der Vergaberegelung schließen!“
„Auch rund zwei Wochen nach Bekanntwerden dieser Medikamenten-Lotterie haben sich nur wenige offizielle Stellen zu den ethisch-moralischen Aspekten dieses fragwürdigen Vorgehens geäußert. Dabei muss diese Diskussion unter Experten und in der Gesellschaft jetzt stattfinden, damit das Los-Verfahren nicht zum Regelfall wird, um teure Medikamente auf den Markt zu bringen“, sagt Janssens, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler. „Es muss allen klar sein: Gesundheit ist kein Lotteriespiel!“