Perspektivwechsel – Stärkung des Menschen in der Medizin
Mitarbeiter in der Akut-, Intensiv- und Notfallmedizin sind neben der ohnehin anspruchsvollen und komplexen, fachlichen Tätigkeit in hohem Maße physisch, psychisch, emotional und sozial gefordert und zuweilen auch überfordert. Innerklinische (Krisen-)Hilfen sind bisher jedoch eher die Ausnahme als die Regel. Durch eine zunehmende Abwanderung von medizinischem Personal aus Bereichen der Akut- und Notfallmedizin stellt sich ein empfindlicher Personalmangel ein, der sich institutionell in besonders neuralgischen Strukturen wie in Notaufnahmen und Intensivstationen zu einer Unterversorgung von Patienten führt. Vor diesem Hintergrund hat sich im Dezember 2018 unter der Leitung von Prof. Dr. Felix Walcher (Universitätsklinikum Magdeburg), Dr. Dominik Hinzmann (Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München) und Diana Wieprich (Pius Hospital Oldenburg) in der DIVI die Sektion „Perspektive Resilienz“ gegründet.
Ihre Ansprechpartner
Prof. Dr. Felix Walcher
Sektionssprecher
Direktor der Klinik für Unfallchirurgie
Universitätsklinikum Magdeburg A.ö.R.
Leipziger Str. 44
39120 Magdeburg
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Dr. Dominik Hinzmann
Stellvertreter
Klinik für Anästhesiologie
Klinikum rechts der Isar der TU München
Ismainger Str. 22
81675 München
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Diana Wieprich
zweite Stellvertreterin
Universität Greifswald
Domstraße 11
17489 Greifswald
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Die HELPLINE bietet telefonische Beratung bei besonderen Belastungssituationen und schwerwiegenden Ereignissen für Mitarbeiter*innen und Führungskräfte im Gesundheitswesen.
Aktuelle Empfehlung:
Sektionsarbeit
Im Mittelpunkt der Sektionsarbeit steht die Diskussion um psychosoziale Prävention und Unterstützungsangebote für alle Mitarbeiter der Berufsgruppen der prä- und innerklinischen Notfall-, Akut- und Intensivmedizin. Abgrenzend zur Sektion „Psychologische Versorgungsstrukturen in der Intensivmedizin“, die sich maßgeblich den Belangen der Patienten und Angehörigen widmet und in Verbindung mit den Mitarbeitenden betrachtet (1), steht bei der Sektion „Perspektive Resilienz“ die psychische Gesundheit des medizinischen Personals im Vordergrund.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatten um psychosoziale Arbeitsbelastungen, Fehlbean-spruchungsfolgen und vorzuhaltende Maßnahmen im Gesundheitswesen und in der Notfall-, Akut- und Intensivmedizin stand zu Beginn der Sektionsarbeit zunächst die Frage nach vorlie-genden empirischen Daten im Vordergrund. International liegen bereits zahlreiche Studien und mehrere Übersichtarbeiten für die Akut-, Intensiv- und Notfallmedizin vor (2-5). Im deutschspra-chigen Raum wurden gerade in jüngster Vergangenheit und werden aktuell zahlreiche „Umfra-gen“ und wissenschaftliche Studien durchgeführt. Arbeiten, die ein breites Spektrum alltäglicher und vor allem auch extremer Belastungssituationen erfassen, liegen jedoch nicht für alle Berei-che der Notfall-, Akut- und Intensivmedizin vor (6). Es werden die (gesundheitlichen) Folgen der Belastungen relativ breit diskutiert: Burnout, mangelnde Arbeitszufriedenheit, Dropout-Absichten etc. werden jedoch häufiger als die schweren individuellen Traumafolgen (z.B. post-traumatische Belastungsstörung) oder die institutionellen Folgen, z.B. die Beeinträchtigung der Versorgungsqualität durch Personalmangel, betrachtet (7, 8).
Im Rahmen der Sektionsarbeit soll der Blick weniger auf pathogene Einflüsse gelenkt werden, sondern vielmehr auf jene Faktoren, die dazu beitragen, dass das Personal trotz hoher Belas-tungen gesund bleibt und langfristig in der Lage sein kann, eine qualitativ hochwertige Patien-tenversorgung zu leisten. Fragestellungen dieser Art sind seit über 60 Jahren Gegenstand der psychologischen „Resilienz“-Forschung (9). Der Begriff der Resilienz wird unterschiedlich defi-niert und heterogen verwendet: Resilienz als Persönlichkeitsmerkmal im Ergebnis einer gesun-den Entwicklung, als rasche Erholung nach schwerwiegenden Ereignissen, als „besserer“ Be-wältigungsverlauf, als „besseres“ Bewältigungsergebnis, als Bewältigungsressource etc. (10-12). Der Begriff wird für Individuen (individuelle Resilienz), aber auch für Organisationen bzw. sozial-räumliche Settings (gemeinschaftliche und organisationale bzw. institutionelle Resilienz) angewendet und kann entsprechend auch auf die Systeme bzw. Organisationsstrukturen in Präklinik und Klinik übertragen werden (13, 14). Ausgehend von dieser „Perspektive Resilienz“ sollen Maßnahmen und Handlungsempfehlungen für alle Berufsgruppen in der Notfall-, Akut- und Intensivmedizin abgeleitet werden.
Derzeit existieren bereits Empfehlungen für vorzuhaltende Hilfesysteme und durchzuführende Maßnahmen. Dabei besteht jedoch die Gefahr der Implementierung von Einzel-Maßnahmen ohne Einbettung in ein strukturiertes Gesamtsystem (15, 16). Im Kontext der betrieblichen Ge-sundheitsförderung werden die psychosozialen extremen Belastungen noch selten aufgegrif-fen. Zwar beschreibt die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung ein Verfahren, mit dem Be-schäftigten auch in Krankenhäusern zeitnah nach Extremerfahrungen Hilfe im Rahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes angeboten werden sollten (17), jedoch ist dies insgesamt zu wenig bekannt,
geschweige denn, dass eine Meldung von Extremereignissen und eine Inan-spruchnahme von Hilfen nach psychischen Arbeitsunfällen aktiv gefördert würde. Ein etablier-tes und qualitätsgesichertes System der Psychosozialen Vorbereitung und Nachsorge ver-gleichbar der präklinischen Psychosozialen Notfallversorgung liegt bisher nur für ausgewählte Kliniken vor (18), wird bisher aber innerklinisch nicht flächendeckend vorgehalten (19). Die Sektion setzt sich ein, diese Situation für das medizinische Personal zu verbessern.