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Neuigkeiten aus der Intensiv- und Notfallmedizin

Keynote von Eckart von Hirschhausen: „Wir haben einen medizinischen Notfall – und keiner nimmt ihn wahr!“

Es gibt Medikamente gegen erhöhten Blutdruck – aber nicht gegen erhöhte Außentemperaturen. Das zeigte Dr. Eckart von Hirschhausen (Foto) eindrucksvoll in seiner Keynote auf dem DIVI2019. Vor mehr als 1.000 Zuhörern forderte der studierter Mediziner seine Kolleginnen und Kollegen zum Handeln auf: „Wenn sich das Weltklima verändert und in Deutschland Außentemperaturen von 42 Grad gemessen werden, ist das ein medizinischer Notfall!“ Er habe dieses Thema aber weder unter den zahlreichen Symposien des Kongresses noch sonst irgendwo auf der Agenda der Fachgesellschaft finden können. „Ärzte und Pflegekräfte wie ihr, Intensiv- und Notfallmediziner, genießen eine hohe Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit. Also redet darüber!“ In einem kurzen Interview nach der Keynote sprach er über seine Sicht auf die Intensivmedizin, Klimawandel und „Doctors for Future“.

Vortrag verpasst? Kein Problem – hier einfach den Livestream ansehen.

Herr von Hirschhausen, viele Themen der Intensivmedizin werden gerade öffentlich diskutiert. Der Mangel an Pflegekräften und Kinderintensivbetten sind nur zwei Beispiele. Welcher Mangel im System beschäftigt Sie als Mediziner nachhaltig?
Wo ich kann, weise ich auf die desaströse Lage in der Pflege hin, indem ich positive Beispiele zeige. In meiner dreiteiligen ARD-Doku über den Beginn, die Mitte und das Ende des Lebens sind deshalb viele engagierte Menschen zu sehen, die Tag und Nacht für andere da sind. Ich glaube zudem, dass wir durch mehr Wertschätzung, faire Arbeitsbedingungen, eine bundesweite Pflegekammer und auch ein soziales Jahr für alle mehr Menschen in diesen Beruf bekommen können. Da bin ich mit Minister Spahn einig. Wenn er in viele Regionen der Welt wie Mexiko, Asien und Osteuropa nach potenziellen Pflegekräften für uns sucht, übersehen wir vielleicht das im wahrsten Sinne Naheliegende: Enorm viele in Deutschland ausgebildete MuttersprachlerInnen arbeiten in der Schweiz. Wenn wir ähnlich gute Bedingungen schaffen wie dort, kommen die gerne zurück. Und die aus Norwegen auch.

Hier auf dem Kongress haben Sie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn getroffen. Was wollten Sie ihm schon immer mal sagen? Oder haben ihm gesagt?
Das sage ich gerne allen und habe es auch in meiner Keynote thematisiert: Die größte Gesundheitsgefahr im 21. Jahrhundert ist die Klimakrise! Das europäische Parlament und viele deutsche Städte haben bereits den Notfall deklariert. Bislang spielen Ärzte – und gerade auch Notfallmediziner – in der Diskussion eine viel zu kleine Rolle! Das Robert-Koch-Institut beziffert die Hitzetoten auf viele Tausende allein in diesem Jahr. Tropische Mücken siedeln heute schon in Deutschland und bringen Infektionskrankheiten wie das West-Nil-Fieber und die Malaria zurück. Und auch die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern sind oft nicht auf Überhitzung ausgerichtet. Wie soll man lebenswichtige Entscheidungen für einen Patienten treffen, wenn man selbst keinen kühlen Kopf behalten kann?

Sie haben mit der Initiative #healthforfuture einen großen Klimastreik vor der Charité mitorganisiert, sprechen auf Ärztekongressen und in der Öffentlichkeit und sind inzwischen einer der prominentesten Unterstützer von „Fridays For Future“, sogar Gründer von „Doctors for Future“. Was wünschen Sie sich von den Intensiv- und Notfallmedizinern?
Eine sehr fundamentale Wahrheit lautet: Gesunde Menschen gibt es nur auf einem gesunden Planeten. Die Grundlage von Gesundheit kann das Gesundheitswesen nicht herstellen. Wir haben Medikamente gegen erhöhten Blutdruck, aber nicht gegen erhöhte Außentemperaturen. Der Mensch ist nur bis 41 Grad Körpertemperatur physiologisch lebensfähig. Wir hatten dieses Jahr 42 Grad. Das ist ein medizinischer Notfall. Und ich wünsche mir, dass Notfallmediziner dazu öffentlich Stellung beziehen! Denn Ärzte, Pflegekräfte und Patienten haben in der Öffentlichkeit eine enorme Glaubwürdigkeit. In Demokratien kommen wir nur dann voran, wenn es Mehrheiten gibt. Und die Mehrheit der Bevölkerung – und ich fürchte, auch die Mehrheit der Ärzteschaft – ist noch nicht auf dem Kenntnisstand der Wissenschaft: Wir müssen nicht „das Klima“ retten – sondern uns!

Das sind ganz schön ernste Themen für jemanden, der als Kabarettist und Gründer der Stiftung HUMOR HILFT HEILEN immer für eine Pointe zu haben war. Vergeht Ihnen bei der Dimension des Nicht-Handelns manchmal selbst der Humor?
Gott sei Dank noch nicht. Da halte ich mich an Karl Valentin: „Wenn es regnet, freue ich mich. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.“ Ich mache mir nur klar, was die Scientists for Future, der Lancet Climate Count Down, der Weltärztebund und die Akademien der Wissenschaft einhellig sagen: Wir haben nur wenig Zeit, die Erde überhaupt für Menschen bewohnbar zu halten. Wenn Kipppunkte überschritten werden, gibt es kein Zurück mehr, mit keinem Geld, keiner „Innovation“ und keiner Hochleistungsmedizin der Welt. Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Denn was Menschen gemacht haben, können Menschen auch ändern. Wenn wir es klar genug wollen. Und wir werden gefragt werden: 2019 war alles bekannt, ihr lebtet in einem der reichsten, freiesten und kreativsten Länder der Welt – was habt ihr getan? Und ich wünsche uns allen, dass wir dann gute Antworten haben.

Wollen wir wenigstens mit einem Witz zum Ende schließen?
Venus trifft auf die Erde und sagt: „Mensch, du sieht aber schlecht aus!“ Darauf die Erde: „Ich habe mir Homo sapiens eingefangen.“ – „Ach, das geht vorbei!“ …

Wenn Sie jetzt Lust bekommen haben, die gesamte Keynote von Eckart von Hirschhausen anzusehen, finden Sie diese hier, auf dem DIVI-YouTube-Kanal als Live-Mitschnitt:

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Foto: Mike Auerbach

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